Dienstag, 27. Februar 2018

Wüstentrip

Vor einigen Tagen reiste ich in die Negev-Wüste, zusammen mit meinen Schwestern, die aus der Schweiz zu Besuch gekommen waren um vor der grossen Eiszeit ein bisschen Sonne zu tanken.

Einige Tage vorher suchte und fand ich im Internet eine anspruchsvolle Rundwanderung: Die Tagesroute „Wadi Zin - Ein Akev“ schien mir genau das Richtige zu sein. Ich klickte durch Bilder von Wüstenlandschaften mit trockenen Wadis, bizarren Felsformationen und kargen Geröllhalden in vielfältigen Beige- und Sandschattierungen – das würde einmal etwas ganz anderes für meine Schwestern, die sich an die grünen Wiesen und Wälder, die Berge und den Schnee der Schweiz gewöhnt sind!

Es stellte sich heraus, dass es auch in der Wüste kräftig regnen kann. Na ja, eigentlich wusste ich das ja schon. Aber ausgerechnet heute?! Die geplante Wanderung fiel buchstäblich ins Wasser. Eine hartnäckige Regenwolke entleerte sich ausgerechnet während der wenigen Stunden, die wir in dieser sonst so trockenen Region verbrachten. Zum Glück hatten wir die wenigen trockenen Stunden nach unserer Ankunft noch schnell für eine Kurzwanderung in einem der schönsten Nationalparks Israels (Ein Avdat) genutzt und konnten so wenigstens einige Eindrücke der spektakulären Landschaft in der Region sammeln.


Auch die Hütten in der Wüste, die wir zur Übernachtung gebucht hatten, konnten wir leider nur kurz geniessen. Nach einigen Kilometern Fahrt auf steinigen Wüstenpisten kamen wir kurz vor Sonnenuntergang an und waren von der einmaligen Abgeschiedenheit sofort begeistert.


Auf kargen Hügeln lagen verstreut ein paar einfache Hütten. Steine, Kakteen, Sand. Sonst nichts. Kein Internet- oder Netz-Empfang. Magische Ruhe pur in fantastischer Umgebung. Hier könnten wir so richtig die Seele baumeln lassen, stellten wir uns vor und träumten alle sofort von einem längeren Aufenthalt, von Ruhe, Entspannung und Entschleunigung. Das vegetarische Nachtessen, vom Inhaber gekocht, war sehr lecker. Als mich dann aber nachts der Druck auf der Blase hinter die Hütte drängte (für die weit entfernten Toiletten hätte ich im Dunkeln über die Geröllhalden kraxeln müssen) und mir ein kalter Wind um den Allerwertesten wehte, ahnte ich nichts Gutes. Vom vielgerühmten Sternenhimmel in der Wüste keine Spur. Das Wetter schlug um, der Himmel war stark bewölkt und am Morgen wich unsere Begeisterung trauriger Ernüchterung. Der Anblick der Anlage im Regen war trostlos.


Der Sonnenaufgang blieb aus, alles lag grau in grau. Dazu kamen die ökologischen Gemeinschaftstoiletten, bei deren Bau offensichtlich die weibliche Anatomie vollkommen ausser Acht gelassen worden war – sie trugen das ihre dazu bei, dass wir uns sehr bald in die Zivilisation zurücksehnten. Nach reichlichem Frühstück verliessen wir das Beduinenhotel ziemlich desillusioniert.


Bei gutem Wetter aber, im März, November oder Dezember, wäre ein Aufenthalt hier bestimmt fantastisch. Wenn ich mich wieder einmal nach Einfachheit, Ruhe und Zurückgezogenheit sehnen sollte, werde ich einen erneuten Versuch in diesem sehr speziellen „Hotel“ wagen.
Notiz an mich selbst: Nicht vergessen, Grossmutters guten alten Nachttopf einzupacken!


Freitag, 16. Februar 2018

Arbeit und Struktur

„Sturm und Wolkenbruch. Ich laufe in meiner Wohnung herum, um der Reihe nach durch alle Fenster zu sehen und mich zu freuen.“ Wolfgang Herrndorf, 6.10.2012.

Noch während ich das Buch "Arbeit und Struktur" lese, weiss ich, dass ich es - sobald zu Ende - in Endlosschleife gleich wieder von vorne beginnen werde. So beeindruckend ist die Einsicht in das Tagebuch von Wolfgang Herrndorf.

Wenige Wochen nachdem bei ihm ein unheilbarer Hirntumor diagnostiziert wurde, eröffnete der Autor seinen Blog, in welchem er seinen Alltag mit der Krankheit mal lakonisch, mal zynisch, mal sarkastisch, mal humorvoll und mal verzweifelt kommentiert. Kurz nach Herrndorfs Selbstmord im August 2013 wurde der komplette Blog in Buchform veröffentlicht.

Das lässt mich Parallelen zu meinem eigenen Blog/Buch ziehen, nur mit dem bedeutenden Unterschied, dass er das Todesurteil erhielt und ich nur eine leichte „Strafe auf Bewährung“. Bei Herrnsdorf geht es ernsthaft um Leben und Tod und das macht umgehend jegliches andere Blog- oder Buchgeschreibsel zu oberflächlichem Gefasel.

Wolfgang Herrndorf ist lebensfroh, romantisch, intelligent und witzig. Ein Sprachästhet, der es immer wieder schafft, subtilste Situationen in wenigen Worten absolut treffsicher zu beschreiben. Er will nicht Sterben und mit seinem Tagebuch nimmt er uns mit durch die die Phasen der Verzweiflung, der Abgeklärtheit und Distanz.

Es mag voyeuristisch sein, jemandem beim Sterben „zuzusehen“. Das lässt sich nicht verleugnen, aber in diesem Fall schäme ich mich des Voyeurismus nicht, denn die Gegenüberstellung von verzweifelter Lebenskraft und unausweichlicher Sterblichkeit ist zutiefst beeindruckend und erfüllt mich mit Demut und Dankbarkeit.

Dienstag, 13. Februar 2018

Spinat und Tattoos

„Spinat macht Muskeln“, sage ich zu Lianne beim Abendessen, wohl ahnend, dass der Slogan bei Sechzehnjährigen kaum dieselbe Wirkung haben wird bei Kleinkindern.

„Und ein Anker-Tattoo am Unterarm?“, fragt sie frech.

Samstag, 10. Februar 2018

Grippe

Jetzt auch das noch. Was für eine fiese, hinterlistige, unerwünschte, sinnlose Krankheit. Eine Woche sieche ich mit hohem Fieber im Bett dahin. Mein Körper hat dieselbe Temperatur und Konsistenz wie das Bett unter mir und die Decken über mir. Ich bin eine Decke. Bin ich bei Bewusstsein? Ich deliriere unter Lagen von Decken vor mich hin, abwechselnd von unerträglichen Schweissausbrüchen geplagt und von Eiskaltfrösten geschüttelt. Ich huste mir die Lungen wund und schnäuze Unmengen grüngelblichen Rotz (Hirnmasse?) ins Nastuch. Dann diagnostiziert der Arzt Bronchitis und Anfänge einer Lungenentzündung und verschreibt Antibiotika. Umgehend geht es mit mir bergauf und schon eineinhalb Tage später koche ich, fange an, den Wäscheberg abzuarbeiten, jäte Unkraut im Garten, sähe Basilikum aus und putze Fenster. Frühling! Hurra, ich bin von den Toten auferstanden!

Morgen werde ich wieder arbeiten gehen. Während ich fast zwei Wochen im Bett lag, haben viele meiner langjährigen Arbeitskollegen die umgehende Kündigung erhalten und morgen werde ich an ihrer Stelle leere Bürostühle vorfinden. Ich für meinen Teil werde die Arbeitswoche mit Freude, neuer Energie und Dankbarkeit beginnen, obwohl ich in den vergangenen Jahren des öftern über meine Arbeit gelästert habe. Jetzt gerade fühle ich mich dankbar, dass ich überhaupt noch eine feste Stelle habe. Dass ich mich soeben zehn Tage lang habe krank schreiben lassen können, ohne dass jemand deswegen mit der Wimper gezuckt hätte. Dass meine Arbeitsbedingungen eigentlich immer noch ausgezeichnet sind, obwohl schon einige Massnahmen und Einschränkungen angekündigt worden sind. Ob das noch lange so bleiben wird? Wie es sein wird, wenn plötzlich gefühlt die Hälfte aller Mitarbeiter nicht mehr da ist? Keine Ahnung. Wochen voller Ungewissheit stehen bevor und das ist gut so.